Moswey 4a, HB-522 in der AeroRevue 4/2009
Moswey 4a: Es muss einmal gesagt sein!
Wenn Willy Fahrni etwas anpackt, dann macht er es richtig. Zum Beispiel die Restauration seiner Moswey 4a, HB-522, welche er in über 4’000 Arbeitsstunden in den Zustand «besser als neu» versetzte. Als Anerkennung erhielt er den internationalen Preis für die beste Restauration eines Oldtimer-Segelflugzeuges.
Autor: Daniel Steffen
Andreas Fahrni pilotiert die frisch restaurierte Moswey 4a, HB-522, in der Region von Bad Ragaz.
Foto: Ruedi Homberger
Damit hätte Georg Müller, der Konstrukteur der Moswey-Segelflugzeuge, wohl kaum gerechnet: Nach über fünfzig Jahren seit der Fertigstellung der letzten Moswey fliegen weltweit immer noch 12 von insgesamt 23 gebauten Exemplaren! Die älteste flugtüchtige Moswey wird dieses Jahr siebzig Jahre alt. Mosweys waren und sind aufgrund der eleganten Erscheinung, der perfekten Bauweise und der durchdachten Technik sehr beliebt. Entsprechend wurden sie von ihren Besitzern gut gepflegt. Jüngstes Beispiel ist die Moswey 4a, HB-522, von Willy und Andreas Fahrni.
Moswey 4 und 4a
Die Erbauer präsentieren 1950 den Rohbau der filigran gebauten Moswey 4 mit 14,4 Metern Spannweite.
Foto: AeroRevue 7/1950
Die Moswey 4 ist in der Nachkriegszeit als Weiterentwicklung der erfolgreichen Moswey 3 (vgl. AeroRevue Nr. 12/2003) entstanden. Die Ziele waren ein geräumigeres Cockpit, eine höhere Festigkeit und einen grösseren Geschwindigkeitsbereich. Es lagen Bestellungen von René Comte und von Max Schachenmann vor. Die Teile für die beiden Prototypen wurden nebeneinander in der Schreinerei von Georg Müller erstellt. Georg Müller schrieb 1952, dass von Anfang an zwei Versionen geplant waren. René Comte erinnerte sich, dass ursprünglich eine Spannweite von 15,9 Meter vorgesehen war. Er wollte aber ein schnelles Flugzeug mit 14,4 Metern Spannweite haben. Max Schachenmann erhielt die ursprüngliche Version mit den längeren Flügeln.
Als René Comte im Sommer 1949 nach einem zweijährigen USA-Aufenthalt in die Schweiz zurückkam, waren die beiden Mosweys infolge Geldmangels noch weit von der Fertigstellung entfernt. Nach harter Diskussion zahlte Comte (respektive sein Vater) einen Aufpreis und Georg Müller konzentrierte sich auf die Vollendung der Moswey 4, HB-520. Am 25. Juni 1950 konnte Comte sein Flugzeug im Birrfeld einfliegen. Bereits eine Woche später startete die Moswey 4 nach einem Transportunfall mit entsprechender Reparatur an der Segelflug-Weltmeisterschaft in Schweden (vgl. AeroRevue Nr. 2/1951 und 7/2000).
Im Sommer 1950 bezahlte auch der Industrielle Max Schachenmann einen Aufpreis. Der Erstflug der Moswey 4a, HB-522, erfolgte ebenfalls im Birrfeld am 25. Februar 1951.
Heftige Diskussion in der AeroRevue
Die Moswey 4 und 4a wurden in der AeroRevue mit zwei Titelbildern und fünf ausführlichen Berichten ins beste Licht gestellt. Das veranlasste E. Eggmann unter dem Titel «Es muss einmal gesagt sein!» zu einem lauten Protest. Insbesondere stellt er die abgedruckten Polaren der Moswey 4 und 4a in Frage. Eggmann konnte nicht glauben, dass die Moswey-Flugzeuge dank ihrer gerissenen Konstruktion und Eleganz Leistungen aufweisen, welche besser waren als jene von 18 und 19 Metern spannenden Hochleistungssegelflugzeugen. Das wäre nach den neusten Erkenntnissen zwar möglich gewesen (sprich Laminarprofile), aber diese seien eben in die Moswey 4/4a nicht eingeflossen. Die Redaktion der AeroRevue schlug mit einem politisch nicht korrektem Nachwort zurück: «Bis jetzt sind uns die Herren Dipl. Ing. und Dr. Ing. in der Schweiz den Beweis schuldig geblieben, dass sie es als Segelflugzeugkonstrukteure besser können als diejenigen, welchen es nicht vergönnt war, die ETH zu absolvieren.».
Die Akademiker hatten recht und die AeroRevue irrte sich. Das aerodynamische Grundkonzept der Moswey 4/4a war beim Erstflug tatsächlich veraltet. Innovativ und zukunftsweisend waren zum Beispiel die Elfe 1 (1939), die Elfe 2 (1948), die Elfe PM3 (1955) und die Elfe M (1956). Doch diese Flugzeuge mussten viel Spott über sich ergehen lassen, weil sie teilweise noch nicht ausgereift waren. Der erste Flugtag der Elfe 2 endete sogar in einer tödlichen Tragödie.
Andreas Fahrni demonstriert in Grenchen die Sägezahn-Bremsklappen, System Georg Müller.
Foto: Eric Fahrni
Traumsegelflugzeug trotz allem
So wie man eine hochpräzise mechanische Uhr einer Digitaluhr vorzieht, wurde die Moswey 4a dennoch zum Traumsegelflugzeug vieler Piloten. Das Segelflugzeug ist aufwändig und perfekt gebaut. Die vogelähnliche Form hat eine Eleganz, welche bis zum heutigen Tag fasziniert. Der Cockpitraum ist grosszügig und die Sicht fantastisch. Das Steuerwerk ist dank Stossstangen absolut spielfrei, präzis und temperaturunempfindlich. Weitere Raffinessen wie zum Beispiel der automatische Höhenruderanschluss, die im Flug verstellbaren Seitenruderpedale, die Trimmung und vieles mehr gehörten Ende der Vierzigerjahren noch nicht zum allgemeinen Standard im Segelflugzeugbau. Die Flugeigenschaften, die Ruderabstimmung und die Wendigkeit liessen zu ihrer Zeit keine Wünsche offen.
Die von Georg Müller für die Moswey 3 konstruierte Stossstangensteuerung war ihrer Zeit voraus.
Foto: Kurt Stapfer
In 58 Jahren acht Besitzer
Aus dem geplanten Serienbau der Moswey 4/4a wurde nichts, es blieb bei den beiden Prototypen. Max Schachenmann verkaufte seine Moswey 4a, HB-522, bereits am 10. Mai 1952 an Karl Ruckstuhl. Von 1953 bis 1956 wurde der elegante Vogel vor allem von Ruckstuhl, Maurer, Hegetschwiler und Heimgartner geflogen. Ab 1958 war die HB-522 im Birrfeld stationiert, wo sie Emil Berna erfreute. Am 5. August 1964 konnte Berna das Flugzeug erwerben und am 20. Januar 1970 hat er es an Günter Steiner nach Beromünster verkauft. 1977 ging die Moswey 4a als Oldtimer an Ted Hull nach Dunstable (London). Am 13. November 1993 holten Willy und Fritz Fahrni das gelbe Traumflugzeug zurück in die Schweiz. Hans Jakob war Miteigentümer. Die heutigen Eigentümer sind Willy und Andreas Fahrni (Vater und Sohn). Im Bordbuch sind rund 1400 Starts und 2000 Flugstunden eingetragen.
Willy Fahrni restaurierte sein Traumsegelflugzeug
Seit seiner Kindheit träumte Willy Fahrni davon, eines Tages das beste und schönste Segelflugzeug der Schweiz zu besitzen. Sein Traum wurde ein Stück konkreter, als er von seinem Elternhaus aus beobachten konnte, wie unten auf dem Flugfeld Speck-Fehraltdorf ein gelbes Segelflugzeug montiert wurde. Der junge Willy radelte sofort los, um einen Blick aus der Nähe auf die Moswey 4a, HB-522, zu werfen. Er durfte sogar im Cockpit Platz nehmen. Was für ein grosser Tag! Die Moswey startet anschliessend zu einem Föhnflug über den Alpen.
Der junge Willy Fahrni sitzt in seinem Traumsegelflugzeug. Diesen Moment hat Willy bis heute nicht vergessen
Foto: Archiv Willy Fahrni
Viele Jahre vergingen. Als Ted Hull seine Moswey 4a, HB-522, zum Verkauf ausschrieb, fuhren Willy und Fritz Fahrni sowie Willi Schwarzenbach im späten November 1993 nach Dunstable, England. Die drei brachten das Oldtimer-Segelflugzeug trotz Dauerregen und Nebel sicher in die Schweiz zurück. Willys Traum war Realität geworden! Er restaurierte die Moswey in den Wintersaisons von 1999 bis 2002 etappenweise, sodass das Flugzeug während den Flugsaisons immer einsatzfähig war. Beim Studium der technischen Akten fielen ihm die häufigen Rippenbrüche auf. Deshalb hat er sämtliche Flügel- und Leitwerk-Rippen verstärkt. Trotz diesen und anderen Verbesserungen konnte Willy Fahrni das Gewicht insgesamt um 6,5 Kilogramm reduzieren, was auf eine eiserne Disziplin schliessen lässt.
Willy und Andreas Fahrni freuen sich mit Willi Schwarzenbach (von links) über das gelungene Werk.
Foto: Thorsten Fridlizius
Willy leistete mehr als 4’000 Arbeitsstunden! Als Anerkennung für diesen Effort wurde die Moswey 4a, HB-522, am 4. Oktober 2008 in Lasham, England, vom Vintage Glider Club (Internationale Oldtimer-Segelflugvereinigung) mit dem Preis für die beste Restaurierung ausgezeichnet. Willy Fahrni ist seit der Gründung vor zwanzig Jahren Präsident der Oldtimer-Segelflug-Vereinigung Schweiz (OSV).
Ein finanzieller Misserfolg
Georg Müller (1907 – 1968) beschäftigte sich seit Mitte der 20er-Jahre mit Problemen der Flugtechnik. Mit seinem Bruder baute er den Spyr 2 und vier weitere Maschinen vom Typ Spyr 3 von August Hug. Zwischen 1935 und 1948 konstruierte er die Moswey 1 (1 Exemplar fertig gestellt), 2 (2), 2a (3), 3 (14), 4 (1), 4a (1) und 6 (1). Dank der aufwändigen, perfekten Bauweise, der ausgereiften Technik und den guten Flugeigenschaften wurden die Mosweys schon bald von einem Hauch von Exklusivität umhüllt.
Der Konstrukteur, Georg Müller, konnte daraus keinen finanziellen Nutzen ziehen. Im Gegenteil, er berechnet seine nicht entschädigten Aufwendungen und Arbeitsleistungen auf rund Fr. 250’000. Die in den Jahren 1946 bis 1951 geleistete Tag- und Nachtarbeit für die Moswey 4/4a und 6 hätten seine Gesundheit nachhaltig geschädigt. Er sah sich auch um die Anerkennung betrogen: «Meine Beiträge zum Aufstieg des schweizerischen Segelfluges in fabrikatorischer und konstruktiver Hinsicht sind ganz bestimmt die grössten, die in der ganzen Schweiz von einem Einzelnen geleistet wurden.». Das sahen seine Konkurrenten Jakob Spalinger und August Hug anders.
Die perfekten verarbeiteten Flügelbeschläge glänzen wieder wie neu.
Foto: Kurt Stapfer
Georg Müller mied in seinen letzen Lebensjahren die Segelflugszene und starb im 62. Lebensjahr an einer Herzlähmung.
Technische Daten
Typenbezeichnung | Moswey 4a |
Konstrukteur | Georg Müller |
Erstflug | 25. Februar 1951 |
Spannweite | 15,9 m |
Rumpflänge | 6,35 m |
Leergewicht | 217,4 kg |
Maximales Fluggewicht | 330,0 kg |
Geringstes Sinken (erflogen) | 0,65 m/sek. bei 65 km/h |
Beste Gleitzahl (erflogen) | 32 bei 85 km/h |
Anz. gebaute Exemplare | 1 |
Quellenverzeichnis
AeroRevue | Nr. 7/50, 2/51, 6/51, 1/52, 2/52, 4/52, 1/69, 6/00, 7/00, 12/03 |
René Comte | Brief an Lukas Schaub, 29.11.1996 |
Georg Müller | Gesuch an den Bund, vermutlich Ende 1951 |
Willy Fahrni | Bordbuch der Moswey 4a, HB-522 |